Morgenzeremonie im Amida-dō (阿弥陀堂) des Higashi Hongan-ji-Tempels in Kyoto

Aufnahme mit einem Sony PCM-M10 am 29.03.2025, nachbearbeitet mit WaveLab Pro 12

Die Aufnahme dokumentiert eine morgendliche buddhistische Zeremonie im Amida-dō (阿弥陀堂) des Higashi Hongan-ji-Tempels in Kyōto. Ich betrete den Tempel und begebe mich wie die anderen Anwesenden in den Fersensitz (seiza, 正座 – diese Haltung ist in japanisch-buddhistischen Kontexten üblich, besonders bei formellen Zeremonien. Sie signalisiert Respekt, Hingabe und Konzentration). Die Aufnahme beginnt mit dem Anschalten des Aufnahme-Rekorders, den ich auf meine Tasche gelegt habe. Sehr leise betreten dann die Mönche den Raum und setzten sich. Ab 1 min/7 sec wird ein Gong geschlagen und die Chor-Rezitation beginnt. Hierbei handelt es sich um rhythmisch und tonal strukturierte, langgezogene Chor-Rezitationen im shōmyō-Stil (声明), der typisch ist für formelle Jōdo-Shinshū-Rituale. Mehrfach ist deutlich das Mantra „Namu Amida Butsu“ (南無阿弥陀仏) zu hören – die zentrale Praxisform der Jōdo-Shinshū: das rezitierende Anrufen des Buddha Amida als Ausdruck von Vertrauen und Hingabe. Die Rezitation endet mit mehreren Gongschlägen bei 2 min/40 sec. Danach verlassen die Mönche und die anderen Anwesenden den Tempel.

Der Shin-Buddhismus – eigentlich: Jōdo-Shinshū (浄土真宗, wörtlich: „Die wahre Schule des Reinen Landes“) – ist eine der bedeutendsten und meistverbreiteten buddhistischen Schulen in Japan. Er gehört zur sogenannten Reines-Land-Tradition (Jōdo-shū), ist demnach dem Amidismus zugehörig. Im Zentrum ihrer Lehre steht das Vertrauen in den transzendenten Buddha Amitabha (japanisch 阿弥陀 Amida) und die Hoffnung auf eine Wiedergeburt in seinem „Reinen Land“ (jōdo 浄土). Die Schule basiert auf dem Sukhâvatîvyuûhasûtra (japanisch 阿弥陀経 Amida-kyō), dem Sûtra des Landes der Glückseligkeit. Gestiftet wurde die Shinshū von Shinran Shōnin (親鸞聖人1173–1263), später wurde sie von Rennyo Shōnin (蓮如, 1415–1499) weiter ausgebildet. Shinran Shōnin war Schüler von Hōnen Shōnin (法然上人,1133-1212) dem Gründer der Reines-Land-Schule, er entwickelte aber seine eigene, sehr persönliche und sozial radikale Auslegung der Reines-Land-Lehre. Das zentrale Ziel ist die Wiedergeburt im „Reinen Land“ (Jōdo 浄土) des Buddha Amida (Amitābha). Dieses Reine Land ist kein „Himmel“, sondern ein Zustand oder Bereich jenseits von Leid und Verblendung, in dem Erleuchtung möglich wird. Shinshū’s zentraler Praxisweg ist nicht Meditation, Askese oder Verdienstansammlung wie in anderen Schulen, sondern Vertrauen (Shinjin) in die Kraft des Buddha Amida, der durch sein Gelübde allen Wesen die Wiedergeburt im Reinen Land verspricht. Ausdruck dieses Vertrauens ist Nembutsu – das rezitierte Anrufen des Namens „Namu Amida Butsu“ (南無阿弥陀仏, „Ich nehme Zuflucht zu Amida Buddha“).  Das Nembutsu ist kein magischer Zauberspruch, es hat keinen Einfluss auf den Akt der Befreiung, sondern ist nur Ausdruck des Dankes für die Zusicherung der Befreiung durch Amida und einer inneren Verbundenheit.

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